05.07.2017

Einführung in narrative Methoden der Organisationsberatung

Müller beschreibt hier sehr prägnant eines der mächtigsten Instrumente der Kommunikation: Erzählung, die auch entscheidend an der Konstruktion der Identität von Individuen und sozialen Systemen beteiligt ist. Letztlich sind es die Erzählungen, die wir uns selbst und die andere über uns erzählen, die unsere Identität ausmachen.

Auch die Identität von Unternehmen und Organisationen wird durch Geschichten, die Mitarbeiter und Führungskräfte, Kunden oder die Medien erzählen, konstruiert, am Leben gehalten und kommuniziert. Wenn aber Identität als Summe von Geschichten beschreibbar ist, dann liegt nahe, dass man Geschichten auch als Methoden nutzt, um mit und an der Identität zu arbeiten, mit Individuen und auch in Organisationen, in denen Individuen an den Erzählungen beteiligt sind. Im Kontext der systemischen Therapie und Beratung hat diese Idee v.a. durch die Arbeiten des amerikanischen Psychologen Jerome Bruner entfaltet, auf ihn berufen sich auch Michael White und David Epston, die Begründer der narrativen Therapie.

Identität hat jedoch nicht nur einen Vergangenheitsaspekt, wer welche Geschichten über was erzählt hat, sondern auch einen Zukunftsaspekt, der v.a. im Beratungskontext von entscheidender Bedeutung ist. Wie können Individuen und Systeme ihre Identitätsgeschichten so entwickeln, dass in Zukunft neue Optionen ermöglicht werden?

Müller nimmt Heinz Abels Modell (2010) der 4 Fragen, was Identität sei auf und überträgt sie auch vom Individuum auf Organisationen und schlägt auch vor damit zu arbeiten im beraterischen Kontext:

  • Wie sind wir geworden, was wir sind? Gründergeschichte
  • Wer wollen wir sein? Corporate Identity, Marke
  • Was tun wir? Geschäftsmodell
  • Wie sehen uns andere? Positionierung am Markt, Kunden, Öffentlichkeit

Der Autor zeigt uns aus der Perspektive des systemischen Beraters in 6 Kapiteln Vorgehensweisen im Einzelcoaching und auf Unternehmensebene. Dabei betont er, dass die narrative Perspektive nicht nur in Kontexten der Organisationsentwicklung und des Coachings relevant ist, sondern auch in zahlreichen anderen Kontexten angewandt wird:

Unternehmenskommunikation, Wissensmanagement, beim Führungsverhalten und bei Marken – und Strategieentwicklung. Hinter all diesen Ansätzen steht Denken in narrativen Strukturen. Geschichten sind die Art und Weise, wie Menschen und ihre soziale Systeme auch im beruflichen Kontext mit Veränderungen umgehen. Ein insgesamt gelungenes kleines kompaktes Buch auf rund 120 Seiten, das einen guten Einstieg in narrative Methoden bietet.

Lisa Tomaschek-Habrina
28.01.2018